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Ein Leuchtturmprojekt in Sachen interprofessioneller Zusammenarbeit
Feuerwehren und Notärzte üben gemeinsam – Technische Rettung hautnah erlebt
Trostberg. Bei schweren Verkehrsunfällen zählt oft jede Sekunde und die Akteure der verschiedenen Professionen wie die Feuerwehr und der Rettungsdienst müssen alles daransetzen, die Verunfallten so schnell wie möglich und gleichzeitig optimal versorgt zur Weiterbehandlung in die Kliniken zu bringen. Dabei müssen sich die Handelnden blind aufeinander verlassen können und Hand in Hand die technische Rettung sowie die medizinische Versorgung durchführen. Ein Workshop zwischen Führungskräften der Feuerwehr Trostberg sowie den Medizinern der Notarztgemeinschaft Trostberg hat sich dieser „interprofessionellen Zusammenarbeit“ nun angenommen – mit überwältigendem Erfolg und wertvollen Erkenntnissen.
Die Grundidee hatte vor einiger Zeit Dr. Martin Schwibach von der Notarztgemeinschaft Trostberg. Dieser konnte von den Floriansjüngern vor etwa einem Jahr dazu bewegt werden, sich um die Ausbildung der Ersten Hilfe in den Reihen der Brandschützer zu kümmern. Der Ursprungsgedanke zum nun durchgeführten Workshop lag allerdings etwas niederschwelliger. Angedacht waren zunächst ein Treffen und Kennenlernen zwischen den Notärzten sowie den Führungskräften der Feuerwehr. Gleichzeitig wollten die Notfallmediziner die Geräte und technischen Möglichkeiten der Floriansjünger etwas besser kennenlernen.
Notärzte greifen beherzt zu den Rettungsgeräten
„Da wir Rettungskräfte ja allesamt praktisch handelnde Menschen sind, haben wir diesen Grundgedanken dann weiterentwickelt und daraus einen Workshop konstruiert“, schmunzelt Trostbergs Feuerwehrchef Hans-Peter Heimbach. Kurzerhand haben die Verantwortlichen zwei Schrottautos zum Üben organisiert und diese dann in der Fahrzeughalle des Gerätehauses positioniert. Einer der beiden PKWs wurde auf die Seite gelegt, der andere blieb auf seinen Rädern stehen.
„Angetreten“ waren 15 Führungskräfte der Feuerwehr und 14 Notärzte, die unter der Anleitung von Martin Kaiser und Gerhard Nickel verschiedene Szenarien abarbeiten durften. Dabei schlüpften insbesondere die Medizinier immer wieder in die Rolle der Feuerwehr und griffen beherzt zu Schere, Schneidgerät und Rettungszylinder.
„Damit konnten wir bei den Akteuren ein sehr gutes Gefühl entwickeln, welche Kraft in den Rettungsgeräten steckt und welcher zeitliche Aufwand nötig ist, um die verschiedenen Methoden zur Rettung anzuwenden“, reflektiert Hans-Peter Heimbach. Gleichzeitig erhielten die Feuerwehrleute mehrfach die Rückmeldung, „die Rettungsgeräte haben ein enorm hohes Gewicht“. Tatsächlich haben die Retter bei einem Rettungsspreitzer von etwa 20 Kilogramm in den Händen, der im Einsatzfall in verschiedenen Arbeitshöhen und Positionen zum Einsatz kommt.
Verbesserungen für die Arbeit der Feuerwehr
Es griffen aber auch die Feuerwehrleute selbst zu ihrem „Werkzeug“, um die unterschiedlichen Rettungstechniken beziehungsweise der Vor- und Nachteile darzustellen. Dabei wurden die Mediziner gebeten, gezielt einen Blick auf Verbesserungen hinsichtlich der Patientensicherheit sowie einer Optimierung der Abläufe zu legen.
Dazu hatten die Akteure auch verschiedene Versuche unternommen und beispielsweise auf eine vollständige Dachentfernung zu verzichtet. „Der Rettungsversuch mittels Rettungsbrett über das Heckfenster zeigte sich deutlich schwieriger und patientengefährdender als der höhere Zeitaufwand bei einer Dachentfernung“, resümiert der Notarzt Dr. Martin Schwibach und ergänzt, „dies werde ich sicher bei unseren zukünftigen Einsätzen bedenken und versuchen, den Patienten für eine optimale Rettung entsprechend medizinisch zu stabilisieren“.
Um die tatsächliche Belastung auf die Insassen zu verdeutlichen, nutzen auch einige Mediziner das Angebot, sich in eines der Unfallfahrzeuge zu begeben. Dabei konnten sie „am eigenen Leib spüren, wie sich die Verunfallten bei der Technischen Rettung fühlen und wie die technische Rettung sowie die medizinische Hilfe erlebt wird. Trotz des Wissens, dass es um eine Übung handelt, beschreibt die Notärztin Dr. Katharina Gelny die Situation als „extrem belastend“. Diese Erkenntnis nahmen die multiprofessionellen Retter ebenfalls auf und wollen zukünftig bei Rettungsmaßnahmen noch stärker auf eine umfassende und durchgängige Patientenbetreuung achten.
Noch während der laufenden Übungen wurden verschiedene andere Rettungsmittel wie die Verwendung einer „Rettungsboa“ oder den Einsatz eines sogenannten Kett-Systemes, also eine Art Rettungskorsett zur Stabilisierung des Rumpfes, andiskutiert. „Beide Systeme spielen aber in der Praxis eine untergeordnete Rolle zudem man mit den Rettungsbrettern ebenso schnell, wie sicher die Patientenrettungen durchführen kann“, betont Dr. Martin Schwibach.
Die beiden Trostberger Kommandanten begleiteten am Rande der Ausbildung alle diejenigen, die gerade nicht „Hand an den Fahrzeugen anlegten“ und informierten die Zuschauer über das Vorgehen. Gleichzeitig konnte so ein „ungezwungener Austausch“ erzeugt werden bei dem auch zahlreiche Verständnisfragen geklärt wurden. Rund zweieinhalb Stunden dauerte die Premiere des Leuchtturmprojektes, dass am Ende für viel Begeisterung sorgte.
Patienten werden von der Fortbildung profitieren
„Für uns war diese Fortbildung ein Riesenerfolg“, so das Fazit von Dr. Martin Schwibach und seinen ärztlichen Kollegen. Weiter betonte er, „gerade der fachliche Austausch zwischen Feuerwehr und Notärzten war für uns absolut gewinnbringend. Dieser Abend hat uns sehr beeindruckt“. Die Mediziner nehmen für ihr zukünftiges Wirken insbesondere die Eindrücke mit, welche Vibrationen bei der Rettung entstehen und mit welcher Geräuschkulisse die Maßnahmen verbunden sind. Gleichzeitig werden sie zukünftig besser den zeitlichen Bedarf der unterschiedlichen Rettungsmethoden abschätzen können und dies in ihre medizinische Behandlung zum Wohle des Patienten einbringen.
Die Feuerwehrleute ziehen ebenfalls ein äußerst positives Fazit. „Sowohl das praktische Tun wie auch die Gespräche zwischendurch waren sehr angenehm“, reflektiert Trostbergs stellvertretender Kommandant Bastian Sedlmaier-Orwat und ergänzt, „dies bildet eine hervorragende Grundlage für unsere zukünftigen gemeinsamen Einsätze“. Gleichzeitig richtete er seinen Dank an die beiden „Chef-Ausbilder“ des Abends. Mit ihrer Themenauswahl haben sie offensichtlich „voll ins Schwarze getroffen“ und so den Grundstein eines sehr erfolgreichen Leuchtturmprojekts gelegt.
Gleichzeitig wurde noch am selben Abend die Idee geboren, den interprofessionellen Austausch zwischen den Feuerwehrleuten und den am Kreisklinikum Trostberg ansässigen Notfallmedizinern zu wiederholen oder sogar auf eine gewisse Regelmäßigkeit von ein bis zwei Treffen pro Jahr zu bringen. „Themen hätten wir da einige im Angebot“, sagt Hans-Peter Heimbach und denkt dabei an die Zusammenarbeit bei Wohnungsöffnungen oder Drehleiterrettungen sowie die Abstimmung für Ereignisse mit einer großen Anzahl an verletzten Personen. Hob
Text
Hubert Hobmaier
Kreisfeuerwehrverband Traunstein
Bilder
Feuerwehr Trostberg