02.07.2024
  • Übung

„Luggi, bei Dir brennts!“

Einsatzübung der Feuerwehr Waging – Gasthof im Ortskern war Übungsobjekt

Waging. Mit dem Ausruf: „Luggi, bei Dir brennts!“ machte ein Passant den Waginger Gastwirt Ludwig Egger auf die Rauchentwicklung im ersten Stockwerk des Gasthauses „Seerose“ aufmerksam. Natürlich war zu diesem Zeitpunkt den anwesenden Passanten im Waginger Ortskern schon bekannt, dass es sich hierbei um eine sogenannte Zug Übung der Waginger Feuerwehr handelte. Der Rauch und auch der dargestellte Feuerschein wirkten sehr realistisch. Dass mit einem ungefährlichen „Diskotheken-Nebel“ und diversen Leuchten optisch alles wie bei einem echten Brand aussah, war das Werk von Feuerwehrmann Florian Metzger. Ausgearbeitet und geplant wurde die Übung von den Führungskräften Anton Groschack und Thomas Pfeffer.


Mit dem Begriff „Zug Übung“ wird der Einsatz eines sogenannten Löschzuges bezeichnet. Es handelt sich dabei um mehrere Einsatzfahrzeuge mit unterschiedlicher Ausrüstung, die taktisch in einer bestimmten Reihenfolge ausrücken und am Schadensort eingesetzt werden. In Waging besteht der Löschzug im Regelfall aus dem Einsatzleitwagen, dem Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeug, der Drehleiter, sowie dem Tanklöschfahrzeug. Bei dieser Einsatzübung in waren insgesamt 23 Feuerwehrmitglieder eingesetzt.


Mit der Meldung: „B3 – Zimmerbrand im 1. Obergeschoss, eine Person auf dem Balkon“ wurden dann mittels Sprechfunks die Einsatzkräfte von der Übungsleitung abgerufen. „Die Ausgangslage war den Feuerwehrmitgliedern bis dahin noch völlig unbekannt“, erwähnt Anton Groschack und ergänzt „wir haben bewusst das Übungsobjekt im Vorfeld nicht bekannt gegeben“. Erschwert wurde Situation, dass eine Person bereits auf dem Balkon um Hilfe schrie und eine weitere Person im Gebäude, die als vermisst galt.


„Genau wie bei einem echten Einsatz musste der Zugführer das Gebäude erkunden, um die Löschmannschaften richtig einsetzen zu können“, so Thomas Pfeffer, der das Vorgehen zusammenfasst, „aus der Gesamtansicht, einer Erkundung im Gebäude bis zur Rauchgrenze, sowie dem Befragen von Personen muss sich der Einsatzleiter dann ein Bild für das weitere Vorgehen machen“. Diese Aufgabe führte der stellvertretende Kommandant Sebastian Kamml aus, der den Übungseinsatz leitete.


Der Hilfesuchende auf dem Balkon war Christoph Groschack, der Sohn von Anton Groschack, der begeistert und äußerst realistisch seine Rolle spielte. Die erste Aufgabe war dann auch die Personenrettung vom Balkon über eine Steckleiter. Dabei war auch schauspielerisches Talent gefragt, denn ganz so einfach wollte die Übungsleitung es den Einsatzkräften dann auch nicht machen – es solle ja schließlich wie bei einem „echten“ Brand sein.


Nachdem sich bei der Erkundung herausstellte, dass es sich um einen Zimmerbrand handelte, mussten insgesamt vier Atemschutzgeräteträger zur weiteren Personensuche und Brandbekämpfung eingesetzt werden. Der Luftvorrat der Atemschutzgeräteträger musste zusätzlich außerhalb des Gefahrenbereichs kontrolliert werden. Außerdem war ständig ein Funkkontakt vorhanden, um jederzeit den Standort der Kräfte im angenommenen Gefahrenbereich zu wissen. Zur Sicherstellung der Löschwasserversorgung kam neben den Tanks der beiden Löschfahrzeuge ein Hydrant in der Wilhelm-Scharnow-Straße zum Einsatz.


Die Übungsorganisatoren zeigten sich im Anschluss an die Übung sehr zufrieden mit dem Ablauf. Oberstes Ziel war die Personenrettung in der relativ engen Jägergasse. Da es kein „Drehbuch“ gab, ließ man sich überraschen wie der zuständige Zugführer die Anfahrt und auch die Fahrzeugaufstellung plante.


Die ersten eintreffenden Fahrzeuge wurden am Marktplatz und der Wilhelm-Scharnow-Straße positioniert. Das Tanklöschfahrzeug wurde jedoch nicht gleich eingesetzt, sondern erst in einem sogenannten Bereitstellungsraum am Haslacher Weg stationiert, um die Besatzung dann anschließend vor Ort sinnvoll einsetzen zu können.
Gastwirt Ludwig Egger, der in die Übungsplanung natürlich mit eingebunden war, zeigte sich begeistert von der ehrenamtlichen Feuerwehrarbeit: „Das weiß ich doch, das man sich im Ernstfall auf meine Waginger Feuerwehr verlassen kann, und keine Gefahr für Metzgerei und Gasthaus besteht“.

Thomas Pfeffer, der auch die Chronik der Feuerwehr Waging führt, berichtet, dass es beim Gasthaus Seerose „brandtechnisch“ einen bedeutenden historischen Hintergrund gibt.
Am 30. Juli 1763 wurde der größte Teil des Marktes Waging durch einen Großbrand zerstört. Ein Blitzschlag in den Anbau des „Besteiger-Wirtshauses“ ist als Ursache überliefert. Das betroffene Gebäude ist die heutige „Gaststätte Seerose“ und somit das aktuelle Objekt der abgehaltenen Einsatzübung der Waginger Feuerwehr.


In Windeseile griff das Feuer damals auf die Nachbarhäuser über: Erst in der Schmiedgasse (der heutigen Wilhelm-Scharnow-Straße), dann auf dem Marktplatz, in der Gadener Gasse (Salzburer Straße) und teilweise in der Ziegelauergasse (Untergasse bzw. Seestraße). Am Ende dieser Feuersbrunst waren von 70 Bürgerhäusern 48 vernichtet. Die Waginger Abbrandler richteten an den Salzburger Fürsterzbischof und Landesherrn ein Bittgesuch, welches dem Consisturium bereits am 4. August vorlag.


Bereits am 6. August 1763 erging an die Dekane im Zillertal, in Tamsweg, Saalfelden, Altenmarkt (am Traunsee), Hallein, Köstendorf, Seekirchen, Laufen, Tittmoning, Teisendorf, Mühldorf, Bergheim, Windischmatrei und an den Augustinerprior in Mülln folgende Generale: „In Waging sind trotz allerbestmöglich angewandter Rettung in einer unglaublichen Geschwinde 48 Häuser samt vielen Stadeln, Stallungen, Werkstätten, wie auch andere beträchtliche Habschaft in Asche gelegt worden. Deshalb ist im ganzen Land bei den Sift-, Pfarr-, Vikariat- und Filialkirchen eine allgemeine Sammlung an drei aufeinanderfolgenden Sonn- oder Feiertagen durchzuführen. Diese Sammlung soll auf der Kanzel deutlich verkündet werden, dann das Volk zur Reichung eines ergiebigen, jedoch von selbsten beliebigen Almosens oder christlicher Beysteuer nachdrucksamst und auf das beweglichste ermahnt werden“.


Der Pfleger von Waging hatte letztlich zusammen mit dem Pfarrer eine Summe von 2.702 Gulden und 13 Kreuzer zu verteilen. Es ist natürlich nicht möglich, diese Summe auf die heutige Kaufkraft umzurechnen. Nimmt man im Vergleich die Viehpreise von 1773 – 10 Jahre nach dem Brand – ergibt sich eine ansehnliche Summe: eine Kuh kostete damals 25 Gulden – der heutige Durchschnittspreis einer Kuh beträgt in der Region etwa 2.200 Euro. Genau ist nicht festzustellen, welche Häuser abgebrannt sind. Es existieren jedoch noch Quittungen der Auszahlungen für die Gadener Gasse und die Schmiedgassse.


Über ein Vorgehen der damaligen Löschmaßnahmen ist nichts bekannt. Die Freiwillige Feuerwehr Waging am See wurde „erst“ am 20. Juni 1872 offiziell gegründet. Davor gab es nur eine gemeindliche Löschanstalt. 1858 wurde in der Pflegergasse, der heutigen Bahnhofstraße, ein „Feuerlösch-Requisitenhaus“ erbaut. Bei Feuerlärm (Feueralarm) mussten die nicht ausgebildeten und nicht trainierten Einwohner, meist mit Eimern zur Brandstelle kommen und helfen. Gefordert waren besonders Bauberufe wie Maurer und Zimmerleute, aber auch die allgemeine Bevölkerung. Diese nicht ausgebildeten Kräfte verursachten häufig unübersichtliche Zustände. Löschversuche waren vermutlich sehr gering. (Aus der Chronik der FF Waging am See).

Text
Thomas Pfeffer
Kreisfeuerwehrverband Traunstein

Bilder
Alois Pfeffer
Feuerwehr Waging