02.09.2022
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Vor 20 Jahren: 400 Feuerwehrleute aus dem Lkr. Traunstein im Hochwassereinsatz in Dessau

In diesen Tagen jährte sich für die Feuerwehren im Landkreis Traunstein ein ganz besonderer Einsatz: Vor 20 Jahren machten sich 400 Feuerwehrleute auf den Weg nach Dessau, um bei der Flutkatastrophe an Elbe und Mulde Hilfe zu leisten. Mit 62 Einsatzfahrzeugen brach der Hilfskonvoi am 17. August 2002 nach Sachsen-Anhalt auf, um die dortigen Feuerwehren in ihrem Kampf gegen das verheerende Hochwasser zu unterstützen. Der Hochwassereinsatz in Dessau ist der größte Einsatz, den die Feuerwehren jemals außerhalb des Landkreises geleistet haben.

Der umfangreiche Unterstützungseinsatz wurde in weniger als zwölf Stunden geplant und organisiert. Am 16. August gab das Bayerische Innenministerium ein Gesuch der, von der Flutkatastrophe betroffenen Bundesländer, an die Landkreise in Bayern weiter. Dabei wurde um Unterstützung der Feuerwehren vor Ort gebeten, die nach mehrtägigem Hochwassereinsatz erschöpft und entkräftet seien und dringend eine Ablösung bräuchten. Mittels eines sogenannten „Landkreisalarms“, der alle Feuerwehren in Alarmbereitschaft versetzte, wurden die Kommandanten und Führungskräfte zu einer Besprechung in das Landratsamt gerufen. Dabei wurde festgelegt, welche Einsatzfahrzeuge sowie Boote, Pumpen und weitere Gerätschaften entbehrlich sind und zur Hilfe in die Hochwassergebiete entsandt werden können. Die Kommandanten wurden aufgefordert möglichst viele Helfer für einen voraussichtlich einwöchigen Einsatz bereitzustellen. Über Nacht wurde in den einzelnen Feuerwehren eifrig geplant und vorbereitet. Dabei war vor allem mit den Arbeitgebern der Aktiven zu klären, ob eine Dienstbefreiung für eine Woche gewährt wird. Am anderen Morgen, am Samstag, 17. August stand die Mannschaftsstärke fest und das Hilfskontingent war gebildet. Zur großen Überraschung hatten sich 400 Feuerwehr-Freiwillige für die Teilnahme an dem Unterstützungseinsatz gemeldet. Geleitet wurde der Einsatz des Hilfeleistungskontingents von Kreisbrandinspektor Manfred Unterstein aus Traunreut, zusammen mit Traunsteins Stadtbrandinspektor Albert Kutzer und Georg Wimmer aus Engelsberg, damals Kreisbrandmeister.

Noch am Samstag, 17. August brach das Hilfskontingent aus dem Chiemgau auf. Die Einheiten aus dem gesamten Landkreis sammelten sich in Traunstein auf dem Festplatz und wurden dort vom damaligen Landrat Hermann Steinmaßl verabschiedet. Steinmaßl nutzte die Gelegenheit um sich für den beispiellosen Einsatz zu danken, den die Feuerwehren und weitere Hilfsorganisationen nur fünf Tage zuvor beim Hochwasser im Landkreis Traunstein geleistet hatten. Beim Jahrhunderthochwasser (12./13.8.2002) mit großen Überschwemmungen an Traun, Tiroler Ache und Salzach, waren 60 der 80 Feuerwehren im Einsatz, zusammen mit THW, DLRG, Bayerischem Rotem Kreuz und Malteser Hilfsdienst, insgesamt mehr als 1200 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer. Dass sich nach den Strapazen und Anstrengungen des Hochwasser-Einsatz im Chiemgau eine so große Zahl an Freiwilligen auf den Weg nach Sachsen und Sachsen-Anhalt machten, um dort zu helfen, „verdiene hohen Respekt und Anerkennung“ betonte Steinmaßl. „Die Bereitschaft in den Katastrophengebieten zu helfen ist ein großes Zeichen der Solidarität mit den Betroffenen!“ Der damals amtierende Kreisbrandrat Hans Gnadl bedankte sich für das außergewöhnliche Engagement der Feuerwehrdienstleistenden. „Wille und Tatendrang der Feuerwehrmänner den Menschen in der Hochwasserregion im Osten zu helfen, verdient Bewunderung“, so Gnadl bei der Verabschiedung.

Nach 15 Stunden Fahrt kam der Konvoi aus Traunstein am Sonntag um 3 Uhr morgens in Dessau an. Die Hilfsmannschaft aus dem Chiemgau wurde in einer Schule untergebracht. Zeit zum Ausruhen gab es jedoch nicht. Sofort wurden die Chiemgauer Feuerwehrler eingesetzt, um Dämme mit Sandsäcken zu verstärken und zu verdichten. 24 Stunden später, am Montag (19.8.) um 4 Uhr hatte der Pegel der Elbe mit 7,16 Meter den Höchststand erreicht (normal 2,50 Meter). Die Mulde, die im Stadtgebiet in die Elbe mündet, verzeichnete 5,30 Meter. Die Hauptaufgabe der Feuerwehr bestand darin Dämme gegen die Flut mit Sandsäcken zu erhöhen und abzudichten. Den Helfern aus dem Landkreis Traunstein gelang es, eine Fahrspur der A 9 in Richtung Berlin vor den Wassermassen zu schützen. Die Autobahn ist eine wichtige Verkehrsverbindung und für Dessau sowie das Umland äußerst wichtig. Unter anderem wurde eine zwei Kilometer lange Menschenkette gebildet, über die Sandsäcke bis zu gefährdeten Deichen weitergereicht wurden. Wie umfangreich die Maßnahmen zur Deich- und Dammsicherung waren, die von den Feuerwehrlern tatkräftig unterstützt wurden, lässt sich daran messen, dass allein im Stadtgebiet Dessau 15 Millionen Sandsäcke an Elbe und Mulde verbaut wurden. Während die Chiemgauer Feuerwehrhelfer fast rund um die Uhr im Einsatz waren, erhielten sie eine gänzlich unverständliche Meldung des Katastrophenschutzstabes des sachsen-anhaltinischen Innenministerium: Den Feuerwehren aus dem Landkreis Traunstein wurde der Einsatzauftrag entzogen. In einer Mitteilung an Einsatzleiter Manfred Unterstein, wurde von Seiten des Lagezentrums mitgeteilt, dass bei Fortführen des Einsatzes kein Versicherungsschutz für die bayerischen Helfer bestehe. Trotz dieser Aufforderung setzten die Feuerwehrler aus dem Landkreis Traunstein ihre Arbeit noch mehrere Stunden fort. „An einigen Einsatzstellen konnten wir nicht von einer Minute auf die andere abrücken und die Leute im Stich lassen“, begründete Unterstein das Fortsetzen der Arbeiten. Das Lagezentrum sei überfordert gewesen, die vielen Helfer zu leiten und einzuteilen, so Untersteins Einschätzung in der Rückschau. Auch wenn die Hilfe der Feuerwehrhelfer aus dem Landkreis Traunstein noch dringend notwendig gewesen wäre, ordnete Unterstein das Ende des Einsatzes an. Den betroffenen Menschen vor Ort war diese Entscheidung des Lagezentrums jedoch schwer verständlich zu machen.

Am Dienstag (20.8.) und Donnerstag (22.8.) trafen die Feuerwehrler aus dem Landkreis wieder zuhause ein. Auch wenn es anders gelaufen sei als erwartet, habe sich der Einsatz in Dessau für jeden persönlich gelohnt und die Kameradschaft verstärkt, erinnert sich Unterstein, der mittlerweile im Feuerwehr-Ruhestand ist. „Die Menschen wachsen bei so einer Katastrophe zusammen.“ In Dessau wurden die bayerischen Feuerwehrhelfer sehr herzlich aufgenommen. Die Menschen zeigten große Dankbarkeit für die Hilfe der Floriansjünger. Diese Herzlichkeit und die Solidarität bleiben als positive Erinnerung zurück. Trotz der Probleme mit dem Krisenstab, steht für alle die in Dessau mit dabei waren, zweifelsfrei fest, dass sie sofort wieder ausrücken würden, um Menschen in Not zu helfen, auch weit außerhalb des heimischen Landkreises.

Text: Peter Volk, Pressesprecher KFV Traunstein
Bilder: Volk (Archiv), KFV Traunstein (Archiv)